Stories

 

Episoden und Anekdoten aus meinem Leben in der weiblichen Form.

 


 

Bei der Lesung von René Koch

Vor einigen Jahren war ich zu einer Buchvorstellung des Star-Visagisten René Koch eingeladen. Das war wirklich ein ganz besonderes Erlebnis und wurde damals natürlich auch in meinem Blog gewürdigt. Der ist nun schon längst in der Versenkung verschwunden, doch die Geschichte ist einfach zu schön, um in Vergessenheit zu geraten Deshalb erscheint sie nun in meinen Stories und ausnahmsweise gibt es sogar ein Foto dazu.

Oh, war das ein schöner und interessanter Abend! Dazu gibt es eine kleine Vorgeschichte: Vor einiger Zeit hatte ich einen Termin beim Star-Visagisten René Koch, der früher als Travestiekünstler auftrat. Später gehörten Stars wie Hildegard Knef, Joan Collins, Jodie Foster und viele mehr zu seinen Klienten. Das war für mich ein super-aufregender Nachmittag, an dem ich viel gelernt habe und der eine eigene Story wert ist. Seitdem schwöre ich auf sein "Zauberpuder" und kaufe es regelmäßig bei ihm. Anfang Juli füllte ich wieder meinen Vorrat auf und wir redeten ein paar Minuten. René erzählte von seinem neuen Buch "Abgeschminkt" und lud mich zu einer Lesung ein. Ich fühlte mich sehr geehrt und nahm selbstverständlich die Einladung an. Mein Freund war ebenfalls begeistert von der Idee.

Für diesen Abend nahm ich mir natürlich etwas mehr Zeit für das Make-Up, denn ich wollte den Meister ja nicht allzu sehr enttäuschen. Klar, so toll wie er mich damals geschminkt hat kriege ich es nicht hin. Da gibt es so viele Feinheiten und es wäre illusorisch, von einer Amateurin das gleiche Ergebnis zu erwarten wie von einem Profi mit einer fundierten Ausbildung. Aber ich gab mir zumindest Mühe und vertraute wie immer auch auf Renés "Zauberpuder".

Irgendwann war dann das Styling und auch die Kleiderauswahl erledigt. Die war übrigens gar nicht so einfach, denn ich war noch nie auf so einer Veranstaltung. Feminin sollte es schon sein, aber natürlich nicht ordinär. Andererseits wollte ich auch nicht overdressed sein.

Auf der Fahrt zur Verabredung kam ich in einen heftigen Regenschauer. Selbst die höchste Stufe des Scheibenwischers sorgte nicht wirklich für Durchblick und die letzten Kilometer absolvierte ich eher im Blindflug... Doch, welch Wunder: Genau in dem Moment, als ich einen Parkplatz fand (direkt vor der Buchhandlung, in der später die Lesung stattfand) hörte der Regen auf und es waren sogar Sonnenstrahlen zu sehen. Das Schicksal meinte es gut mit mir an diesem Tag.

Auf die Minute pünktlich war ich im Café Kalwil, wo mein Freund schon wartete. Von unseren Plätzen unter der Markise hatten wir einen guten Blick auf die Buchhandlung und noch genug Zeit, um in aller Ruhe ein kühles Getränk zu uns zu nehmen. Dabei kamen wir mit einem sehr netten deutsch-englischen Pärchen ins Gespräch. Da mein Freund die Londoner Szene recht gut kennt hatten sie reichlich Gesprächsstoff.

Dann war es Zeit für die mit Spannung erwartete Lesung. René begrüßte uns herzlich, denn auch mein Freund ist ihm gut bekannt. Mir machte er ein nettes Kompliment für mein Styling und Make-Up. Ob aus Höflichkeit oder ehrlich gemeint, es hat mich auf jeden Fall wahnsinnig gefreut. Wenn man bei einer solchen Koryphäe nicht komplett durchfällt ist es doch eine Riesen-Auszeichnung für eine Hobby-Frau wie mich.

Wir setzten uns in die erste Reihe und konnten hautnah Renés Präsentation verfolgen, die aus freier Rede und Zitaten aus seinem Buch bestand. Er erzählte viele Geschichten aus seinem Leben und man spürte, wie ihn einige Erlebnisse auch nach vielen Jahren noch bewegen. Es gab berührende, ergreifende und lustige Stories, die weit über eine herkömmliche Biografie hinaus gehen. Mit seinem Leben verbindet sich Zeitgeschichte. Die Szene war vor 50 Jahren völlig anders, mit Heimlichkeiten und Restriktionen belastet, aber auch mit viel Lebensfreude und Improvisation. René trat zu Beginn seiner Karriere als Travestie-Künstler auf und einer der Höhepunkte war ein Lied, mit dem er damals auftrat und das er heute noch perfekt darbieten kann. Dafür gab es Szenenapplaus.

Es gab keine Distanz zwischen dem Publikum und René Koch. Er ist nicht nur eine interessante Persönlichkeit, sondern vor allem ein sympathischer und liebenswerter Mensch. Keine Spur von Abgehobenheit. Er hat seine Anfänge, die Schwierigkeiten und Enttäuschungen nicht vergessen, sich aber eine positive Lebenseinstellung bewahrt. Mit einigen seiner Aussagen hat er auch mir Mut gemacht, und das schaffen nicht sehr viele Menschen...

Unter den Gästen waren Freunde und Bekannte von René Koch, darunter auch Autoren und Filmemacher. Es lief nämlich auch ein Film in den Kinos, an dem René maßgeblich mitgewirkt hat. "Mein wunderbares West-Berlin" betrachtet mehrere Jahrzehnte der ehemaligen Frontstadt aus der homosexuellen Perspektive. Der Film ist ebenso wie das Buch eine aufschlußreiche Interpretation des Zeitgeschehens.

Beim anschließenden Sektempfang kam ich mit einer sehr netten Dame ins Gespräch, einer Autorin überwiegend erotischer Romane. Sie hatte Interesse an mir und meiner Geschichte und das beruhte absolut auf Gegenseitigkeit. Wir stehen seitdem in Mailkontakt und ich bin gespannt auf die Fortsetzung unserer Bekanntschaft. Bis dahin werde ich mir einige ihrer Werke zulegen. Ein paar Recherchen habe ich bereits angestellt und dabei auf eine Lebensgeschichte gestoßen, die mich sehr neugierig macht. Sie erzählte mir auch, dass sie mich während der Vorlesung hin und wieder beobachtet hat. Ohne eingebildet wirken zu wollen, ich glaube, ich bin zumindest nicht negativ aufgefallen, jedenfalls gab es einige Komplimente und ein sehr positives Feedback. In so einem Kreis zählt das für mich besonders viel.

Keine Frage, dass "Abgeschminkt" einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal finden wird. Ich kaufte es sofort, bekam von René  eine nette Widmung und durfte auch ein paar Fotos schießen lassen. Vielen Dank dafür, das wertet meine kleine Geschichte wesentlich auf.

Mein Freund war inzwischen im Gespräch mit einer Modedesignerin vertieft, deren Bekanntschaft er schon länger machen wollte. Was für ein Zufall, dass sie sich bei dieser Lesung über den Weg liefen. Dann verabschiedeten wir uns von René und den anderen Gästen und setzten den lauen Sommerabend mit einem Besuch im Blond´s fort. Wir sprachen über unsere Eindrücke bei der Lesung und kamen dann auf ganz andere Themen mit vielen interessanten neuen Sichtweisen und Ansätzen. Das schätze ich sehr. Er ist ein intelligenter und aufmerksamer Gesprächspartner, betrachtet gewisse Dinge aus einem anderen Blickwinkel und auf diese Weise können wir uns gegenseitig inspirieren.

Wir setzten den Abend und unsere Unterhaltung in der Bar Voyage fort; irgendwie wollten wir diesen Abend auskosten. Bis kurz vor 2:00 saßen wir draussen in dieser traumhaften Sommernacht. Wir würden vielleicht jetzt noch dort sitzen, wenn nicht die Gastwirte irgendwann hätten Feierabend machen wollen. So chauffierte ich dann meine Abendbegleitung zu sich nach hause und setzte meinen Weg mit den Erinnerungen an ein ganz besonderes Erlebnis fort. Bei meinen vielen Ausflüge gibt es Einige, die auch nach Jahren im Gedächtnis bleiben, und diese Nacht gehört mit Sicherheit dazu.

 

Ein aussergewöhnlicher Auftrag

In meiner History habt Ihr vielleicht gelesen, dass ich einige Jahre nebenbei im Rotlichtgewerbe als Escort-Girl gearbeitet habe. Nicht aus finanziellen Gründen, sondern aus Neugier und weil diese Erfahrung damals für mich persönlich wichtig war.

In diesem Job erlebt man immer wieder Überraschungen und von einer möchte ich Euch in dieser Geschichte erzählen. Ein Geschäftsmann fand mein Inserat offenbar ganz interessant. Er buchte mich und so machte ich mich auf den Weg zu seinem Hotel in Ku´damm-Nähe. Mittlerweile hatte ich schon einige Erfahrungen damit, wie man sich als „Gewerbliche“ in einem gehobenen Hotel bewegt und zurechtfindet. So stöckelte ich dann durchs Foyer, nahm den Fahrstuhl und stand kurz darauf vor dem angegebenen Hotelzimmer. Ich klopfte und ein gepflegter Mann öffnete die Tür. Das war mir sehr wichtig, denn mit unsauberen Typen geht bei mir gar nichts. Da hätte ich sofort umgedreht, ohne Diskussion. Doch es gab ja immer vorher ein oder mehrere Telefonate, dadurch konnte ich schon einen gewissen Eindruck gewinnen und gegebenenfalls Aufträge ablehnen, wenn mir etwas suspekt vorkam. Ausserdem war durch mein ambitioniertes Preisniveau schon eine gewisse Selektion gegeben… Es gab natürlich trotzdem immer ein Sicherheits-Back-Up. Hier hatte ich jedoch im Vorfeld ein gutes Gefühl und wurde auch nicht enttäuscht.

Wie üblich folgte nach der Begrüßung ein netter Smalltalk bei einem guten Getränk. Solche Gespräche waren für mich immer sehr wichtig, um einen Draht zu meinem Gast aufzubauen und seine Erwartungen und Vorstellungen kennen zu lernen. Auf diese Art fiel es mir leichter, mich auf seine Wünsche einzustellen und eventuelle Tabus abzuklären. Bei der Gelegenheit konnte dann auch gleich das Finanzielle erledigt werden.

Dann kamen wir langsam zu den Aktivitäten, für die ich eigentlich da war. Die Einzelheiten erspare ich mir und Euch. Eine gewisse Routine hatte ich schon und wusste ziemlich genau, worauf die Männer abfuhren und wie ich was in dieser oder jener Situation am besten bewerkstellige. Auch wenn jeder Kunde anders war, bestimmte Erfahrungswerte halfen da in den allermeisten Fällen schon. Das war auch bei diesem Gast so und soweit war alles easy und gut. Im Nachgang unterhielten wir uns noch ein wenig und dabei gestand er mir einen ganz besonderen Wunsch. Er stand total auf erotische Fotografien und wollte unbedingt mit mir ein kleines Foto-Shooting veranstalten. Die vereinbarte Zeit war schon vorbei, doch ich hatte nichts weiter vor und nutzte die Chance, für die Sondervorstellung einen ordentlichen Zuschlag auszuhandeln.

Wir fingen in seinem Hotelzimmer an. Auf dem Bett, mit einem Stuhl, alle möglichen Requisiten wurden für die Aufnahmen benutzt. Für mich war das ziemliches Neuland, aber es machte auch Spaß. Sein Zimmer hatte eine großzügige Fensterfläche. Er bat mich, davor zu posieren. Vielleicht kennt Ihr den Erotik-Film „Tokyo Decadence“, da gibt es eine ähnliche Szene. Zufälligerweise hatte ich den Streifen kurz zuvor gesehen und konnte mich daran orientieren. Das half mir sehr und so entstanden hoffentlich ein paar recht ansprechende Pics.

Dann begannen wir mit dem zweiten Teil unseres Arrangements, dem Outdoor-Shooting. Davor hatte ich ein wenig Bammel, das gebe ich offen zu. Ich trug nur meinen Mantel und darunter meine Dessous. Mein Auftraggeber war sehr verständnisvoll und ließ mir Zeit, mich auf diese Situation einzustellen. Wir machten die ersten Bilder in einer ruhigen Seitenstraße. Wenn keine Passanten in Sicht waren klappte ich meinen Mantel auf und zeigte mich in der heißen Unterwäsche. Nach und nach wurde ich mutiger und zog den Mantel auch mal ganz aus. Zum Schluß schaffte ich es sogar, mich auf dem Mittelstreifen des Ku´damms für einige Schnappschüsse hinzustellen. Es war wirklich aufregend und spannend. Sowas hatte ich noch nie getan! Doch ich war ja eben auch neugierig darauf, was mich in diesem Job erwarten würde. Und diese Session war nun komplett neu und überraschend. Es wäre allerdings noch schöner gewesen, wenn das Date an einem warmen Sommertag als im eher kalten Februar stattgefunden hätte. Ich hoffe nur, dass meine Gänsehaut auf den Bildern nicht allzu deutlich zu sehen war…

Als die Aufnahmen im Kasten waren gingen wir zurück zu seinem Hotelzimmer, wo ich mich dann wieder „anständig“ bekleidete. Nach einer herzlichen Verabschiedung (und noch einem kleinen Extra-Trinkgeld) verließ ich meinen offensichtlich sehr befriedigten Kunden und ging um eine interessante Erfahrung und mehreren bedruckten Papierscheinen reicher ebenfalls zufrieden zurück zu meinem Auto.

 

Julias „Geburt“

Die Idee war erst ein paar Wochen alt; heute sollte nun der große Tag sein: Meine erste Verwandlung. Vorausgegangen waren ein paar Tage voller Aufregungen und Diskussionen, denn meine Freundin musste erstmal mit dieser für sie neuen und überraschenden Situation klarkommen. Es war nichts was sie sich gewünscht hatte, doch sie entschied sich, mich auf meinem Weg zu begleiten. Ihre Hilfe konnte ich ganz gut gebrauchen, denn vom Schminken und Stylen hatte ich nicht die Spur einer Ahnung. Wir gingen zusammen shoppen und kauften alles Mögliche ein, was ihrer Meinung nach eine Frau so alles braucht. Make-Up, Mascara, Lidschatten und was weiß ich noch alles. Für mich, der sonst nur Duschgel und bestenfalls mal ein Rasierwasser benutzte eine völlig neue Welt.

Nun war der Sohn meiner Partnerin bei einem Freund und wir hatten das ganze Haus für uns. Zuerst stand gleich die schwierigste Aufgabe an: Der Bikermäßige Dreitagebart musste weg! Bisher hatte ich dafür nicht viel Zeit verschwendet; im Alltagsleben ist es ja wurscht ob da noch ein paar Stoppeln sind oder nicht. Nun musste es aber extrem gründlich sein. Immer wieder fuhr ich mit der Hand über mein Gesicht. Hier piekste noch was, da war noch ein Härchen, also weitermachen, bis ich erstens mit dem Ergebnis halbwegs zufrieden und zweitens schon ziemlich erledigt war. Auf was für eine blöde Idee hatte ich mich da bloß eingelassen?

Nach einer Zigarettenpause ging es weiter. Das Camouflage und das Make-Up waren noch halbwegs problemlos, dann ging es an die Feinheiten. Rouge auftragen, Augenbrauen in Form bringen und nachziehen. Beim Lidschatten wäre ich ohne Unterstützung völlig aufgeschmissen gewesen, woher sollte ich wissen wie man das macht. Ein Horror war auch die Wimperntusche. So nah am Auge rumfummeln, das war mehr als ungewohnt und ich war so aufgeregt, da hätte ich mir wahrscheinlich eher Panda-Augen gemalt. Zum Glück übernahm meine Freundin diese knifflige Aufgabe.

Die ganze Aktion dauerte mehrere Stunden, dann war ich fertig geschminkt. Doch es sah mehr als ungewohnt aus, denn noch hatte ich ja keine Perücke auf und auch noch nicht die passenden Klamotten an. So ein Mix ist eigentlich gar nichts für mich, aber ich hatte auch schon ein paar Klamotten und eine Zweitfrisur besorgt. Die halterlosen Strümpfe anzuziehen war auch so ein Akt, das hatte ich noch nie probiert. Dann war ich endlich angezogen und stülpte mir die Perücke über den Kopf. Nun war tatsächlich „Julia“ entstanden und beim ersten Blick in den Spiegel war ich völlig hin und weg. Nicht weil ich mich so umwerfend hübsch fand, sondern weil die Verwandlung doch so umfassend war. Es war eine komplett andere Person, die mich da im Spiegel ansah. Es war ursprünglich nicht geplant, aber als ich das Endprodukt sah wollte ich unbedingt raus und zum ersten Mal so unter Leute gehen. Doch ich musste mich noch ein wenig gedulden, denn es fehlte noch Nagellack. Wir hatten einen besorgt, der leider nicht schnelltrocknend war. So saß ich dann wie auf Kohlen, immer darauf bedacht mit den feuchten Nägeln nicht irgendwo anzustoßen.

Jetzt stellte sich das nächste Problem: Wie komme ich unbemerkt aus dem Haus? Es war schon leicht dämmerig, meine Partnerin stellte das Auto in Position, schaute, ob die Luft rein war und dann huschte ich in Rekordgeschwindigkeit auf den Beifahrersitz. Sie bestand darauf mich zu fahren und mir war das ganz recht. Die Strecke nach Berlin war mir mehr als vertraut, doch nun sah ich sie irgendwie aus einer anderen Perspektive, alles schien neu und anders zu sein.

Nach ungefähr 45 Minuten Fahrzeit erreichten wir unser Ziel, die Together-Bar (das heutige Incognito) in Schöneberg. Dort fanden damals die Treffen der Transsisters statt, die wir eine Woche zuvor besucht hatten,  aber eben nicht in der weiblichen Form. Direkt davor kann man nicht parken, also standen mir meine ersten öffentlichen Schritte in Stöckelschuhen bevor. Ich hatte natürlich schon etwas geübt und es ging überraschend gut und doch, es war ein überwältigendes Gefühl als Frau die Straße entlang zu laufen. Oft hatte ich in den letzten Tagen daran gedacht wie es sein würde, aber meine Erwartungen wurden weit übertroffen. Ich kann das gar nicht so genau beschreiben, aber die Emotionen waren einfach wunderschön.

Im Together wurden wir super-freundlich empfangen, keine erstaunten Blicke oder Bemerkungen. Transgender waren dort eben nichts Aussergewöhnliches. Wir bestellten uns etwas zu trinken und nach der ersten Aufregung kam ich langsam zur Ruhe und gewöhnte mich an mein neues Erscheinungsbild und mehr noch, ich fühlte mich unsagbar wohl. Ja, so hatte ich es mir vorgestellt und ich malte mir aus, was ich alles als Frau erleben und unternehmen könnte. Vor mir lag eine neue, unbekannte Welt, die ich gern entdecken wollte.

Wir saßen eine Weile zusammen und machten uns dann auf den Rückweg. Die Strecke zum Auto war fast schon normal für mich; ich genoß es sogar und nahm die Umgebung deutlich bewusster wahr, denn ich war jetzt nicht mehr so auf mich fokussiert.

Auf der Rückfahrt ging mir das eben Erlebte durch den Kopf und es war gut, dass ich mich nicht aufs Fahren konzentrieren musste. Für meine Freundin war es sicher auch eine neue Erfahrung, doch ich muß ehrlich zugeben, an diesem Abend konnte ich mich nicht so sehr mit ihren Empfindungen beschäftigen. Zu aussergewöhnlich war mein eigenes Gefühlschaos an diesem Tag. Und es hätte wahrscheinlich auch nicht sonderlich viel gebracht, dazu brauchte ich erstmal wieder einen klaren Kopf. Wir schafften aber noch ein paar Fotos im Haus, die allerersten Julia-Bilder. Es sollten noch sehr, sehr viele folgen, wie man auf meiner kleinen Homepage sehen kann. Daran und an die vielen Ausflüge und sogar Reisen war aber damals noch gar nicht zu denken…

 

Kleines A...loch

Auf einem Transgender-Treffen suchte eine Reporterin Interviewpartner für einen Zeitungsartikel. Die Wahl fiel auf mich und sie legte los mit ihrem Fragenkatalog. Wann fing es an, was ich tue und empfinde usw.. Irgendwann kam die Frage "Wie unterscheidest Du Dich in Deinem männlichen und Deinem weiblichen Leben?". Durch meinen Werbejob weiß ich um die Wirkung von prägnanten und provokanten Statements. So antwortete ich: "Als Mann bin ich ein grosses Arschloch, als Frau nur ein Kleines...". Das Mädel schaute mich etwas irritiert an. Im weiteren Verlauf erklärte ich ihr dann, dass ich als "Frau" offener, fröhlicher, unkomplizierter und vermutlich einfach netter bin. Als Headline war die Aussage über die Körperöffnungen aber sehr erfolgreich.

 

Roter Nagellack

 Zum perfekten Styling gehört klarerweise Nagellack, ohne lackierte Nägel geht Julia nicht aus dem Haus. So auch zu einer Party an einem Samstag. Am nächsten Tag muß das Zeug natürlich wieder runter. Doch, oh Schreck: Der Nagellack-Entferner war ausgekippt, nichts mehr da. Und das an einem Sonntag. So musste ich den ganzen Tag mit knallroten Fingernägeln rumlaufen. Die Hunderunden machte ich mit Handschuhen; es kann schließlich Anfang September schon empfindlich kalt sein.... Am Montag konnte ich dann endlich (immer noch mit Handschuhen) neuen Entferner kaufen. Was die Verkäuferin wohl gedacht haben mag?

 

Unpassendes Outfit

Am Anfang meiner Julia-Zeit wollte ich die neuen Gefühle natürlich ausleben. Wenn man immer in langen Hosen rumläuft ist es schon ein tolles Gefühl, plötzlich im Mini die Sonne auf der Haut zu spüren. Im Sommer war ich zu einer Party eingeladen. Da konnte es nicht sexy genug sein. Knappes Top, super-kurzer Mini und High-Heels, so fuhr ich los. Ich war etwas früh dran und entschloss mich zu einem Ku´damm-Bummel. Bald merkte ich, dass mir viele Leute hinterher starrten. Bei dem Outfit hätten sie es wohl sicher auch bei einer biologischen Frau getan, aber ich war damals noch nicht so routiniert und mir war das furchtbar peinlich. So schnell ich konnte flüchtete ich ins Auto und wartete auf den Beginn der Party. Durch die Warterei im heißen Auto war mein Make-Up natürlich ziemlich im Eimer. Die Party war aber trotzdem schön. Heute achte ich natürlich darauf, dass meine Kleiderwahl angemessener ist. Sexy okay, aber nicht ordinär. Damit kann ich mich deutlich entspannter in der Öffentlichkeit bewegen.

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