History

 

Julias Werdegang im Schnelldurchlauf

 


 

Der erste Gedanke

 

Wie Ihr in der Rubrik "Über mich" schon lesen konntet hatte ich nie einen Bezug zum Transgender-Thema. Mein männliches Leben war okay, doch die Verantwortung und Ansprüche an mich stiegen ständig. Viele verliessen sich auf meine Kreativität,  oft klingelte das Handy und Freunde oder Geschäftspartner erhofften sich von mir die Lösung irgendwelcher Probleme. An so einem Tag war ich mit dem Auto unterwegs. Im Radio spielten sie "It´s My Turn" von Diana Ross, ein fast vergessener Song. Ich musste anhalten und zuhören. Ja, verdammt, es ist mein Leben, ich habe Wünsche und Träume und bin keine Problemlösungsmaschine. Doch wie komme ich aus dieser Tretmühle raus, wenigstens ab und zu? Als Mann bin ich zu sehr in meiner Rolle gefangen, no way, doch als Frau könnte es gehen...

 

Fragen über Fragen

 

Die nächsten Tage brachte ich damit zu, im Internet zu recherchieren. Was braucht man eigentlich, um sich ansatzweise in eine Frau zu verwandeln? Klamotten und Schuhe(!!!), klar, aber wie bekommt man einen venünftigen Busen hin, wie ist es mit Perücken usw.? Gibt es eigentlich noch mehr Menschen mit solch abstrusen Ideen auf diesem Planeten? Nach und nach konnte ich mir ein Bild machen, fand viele Tipps und Adressen. Ich kaufte mir ein Paar Stöckelschuhe, fuhr in einen Wald und machte meine ersten Gehversuche mit den Mörderinstrumenten. Immer mit der Angst, "ertappt" zu werden. Mann, war das aufregend.... Nun stand noch die Frage nach dem "Outing" im Raum. Ich war (und bin) verheiratet, lebte aber zu der Zeit von meiner Frau (mit der mich eine tiefe Freundschaft verbindet) getrennt und mit einer anderen Partnerin zusammen. Ehrlichkeit ist für mich wichtig, so kam ein Versteckspielen nicht in Frage.

 

Das Outing 1

 

Wie sage ich es meiner Partnerin und wie wird sie reagieren? Zufällig stand gerade der CSD in Berlin an und da wollte sie schon immer mal hin. Wir schwangen uns aufs Motorrad und sahen uns den Umzug an. Ihr gefiel die ausgelassene Stimmung und die Männer im Fummel fand sie irgendwie auch toll. Ich dachte "wenn du wüsstest". Auf der Rückfahrt konnte ich kaum den Motorradlenker halten, so aufgeregt war ich. Zu hause wollte ich für eine entspannte Stimmung sorgen. Das ging bei ihr am besten mit Sex. Ehrlich, das war die schwerste Nummer meines Lebens, aber ich habe es hinbekommen. Danach war sie befriedigt und schläfrig. Ich erzählte ihr von meinem Streß, der Verantwortung und wie schwer das oft für mich ist und kam schließlich zum Punkt: "Ich möchte ab und zu als Frau rumlaufen". "Ja, mach doch" war ihre Antwort, ehe sie einschlief. Ich ging in mein Arbeitszimmer und bestellte wie ein Blöder: Klamotten, Einlagen, Perücken und Schuhe(!!!). So einfach war das mit dem Outing, dachte ich. Weit gefehlt...

 

Streß

 

Zwei Stunden später ging die Tür zu meinem Arbeitszimmer auf. Sie überschüttete mich mit Vorwürfen. "Reiche ich Dir als Frau nicht mehr", "bist Du jetzt schwul geworden?" usw.. "Das ist es alles nicht, ich möchte eben nur ab und zu aus meinem männlichen Leben ausbrechen und im Mini über den Ku´damm stöckeln" antwortete ich. In den nächsten Tagen gab es viele Tränen und Diskussionen, bis wir uns ganz langsam auf eine Basis verständigen konnten. Ich hatte Verständnis für sie, denn ich verkörperte so in etwa ihren Traummann, und dieses Bild kam nun natürlich erheblich ins Wanken.

 

Das Outing 2

 

Zwei Frauen bedeutete halt auch zwei Outings. Das bei meiner Ehefrau stand wenige Tage später an, allerdings ohne Sexvorbereitung, sondern in einem ruhigen Gespräch. Sie führte mich in ihr Schlafzimmer. Ich dachte "nanu, turnt sie der Gedanke etwa an?". Aber sie öffnete einige Schränke, nahm ein paar Klamotten raus und meinte, die könne ich behalten, wenn sie mir gefallen. Einfach cool! Zum Glück haben wir eine ähnliche Statur, denn es waren süße Sachen dabei.

 

Der erste Ausflug

 

Wenig später hatte ich eine Grundausrüstung für einen ersten Ausflug beisammen. Meine Partnerin wollte mich bei meinen ersten Gehversuchen begleiten. Mir war das nicht so recht, nicht weil ich etwas verheimlichen wollte, sondern weil ich Angst hatte, diese neue Erscheinung würde ihr Bild von mir als Mann und Partner beeinträchtigen. Sie verneinte dies, doch ich sollte letztendlich leider Recht behalten. Als ersten Schritt trafen wir uns mit einer Transgender-Gruppe, wobei ich allerdings dort noch als Mann auftrat. Bei einigen Teilnehmern dachte ich "wenn das das Ergebnis ist, dann vergiß diese Idee ganz schnell wieder". Doch dann lernten wir eine sehr intelligente und gut gemachte "Frau" kennen, mit der wir uns an diesem Sommerabend bis in den frühen Morgen unterhielten. Selten habe ich so ein offenes und intensives Gespräch geführt. Am nächsten Tag zog ich mit meiner Partnerin los, um noch einige Dinge zu besorgen, die uns empfohlen wurden. Gerade bei der Kosmetik gibt es doch viel zu beachten. Dann stand die erste Verwandlung an. Meine Partnerin half mir beim Schminken, ich hatte ja keine Ahnung davon. Als ich dann die Perücke aufsetzte und mich zum ersten Mal komplett gestylt im Spiegel sah war ich überwältigt. Ich musste unbedingt raus unter Leute. Die Welt sah für mich plötzlich völlig anders aus. Die ersten Schritte in der Öffentlichkeit waren unbeschreiblich schön. Wir gingen in das Lokal der Transgender-Gruppe und alles lief problemlos. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen.

 

Die Anfangszeit

 

In den ersten Wochen und Monaten war dieses neue Leben das vorherrschende Thema für mich. Ich ging viel aus, allein oder mit meiner Partnerin, lernte neue Leute und mir bisher unbekannte Locations kennen und machte viele neue Erfahrungen, an die ich zuvor nie gedacht hätte. Die ganze Geschichte bekam eine Eigendynamik. Leider zeigte sich, dass meine Partnerschaft doch sehr darunter litt. Neben anderen Gründen führte das schließlich dazu, dass wir uns trennten und ich wieder zurück nach Berlin zog. Nun lebte ich allein und nutzte das für ausgiebige Ausflüge, machte die Nächte durch in Clubs und Bars, natürlich in der weiblichen Form. Mein Kleiderschrank füllte sich zusehends, bald hatte ich mehr weibliche als männliche Outfits. Muß ich erwähnen, dass auch mein (Frauen-)Schuhschrank bald aus allen Nähten platzte...?

 

One-Night-Stand

 

Meine Verwandlung war nicht sexuell motiviert. Nach wie vor stehe ich auf Frauen, doch je mehr ich in der weiblichen Rolle aufging umso mehr reizte es mich auch, in dieser Hinsicht Erfahrungen zu machen. So ein paar Ansätze gab es bei meinen Ausflügen, erfreulicherweise auch mit dem biologisch weiblichen Geschlecht. In einer Nachtbar kam ich mit einem Mann ins Gespräch. Er machte mir Komplimente, schenkte mir eine Rose, half mir in den Mantel, ein echter Gentleman eben, und ich konnte so herrlich bei ihm das Weibchen spielen. Ja, ich gebe zu, letztendlich landeten wir in der Kiste. Auch wenn mich ein Mann eigentlich körperlich nicht wirklich anturnt, das Gefühl, als "Frau" begehrt zu werden hat schon was.... By the way: Ein Tipp von einer Nachgemachten an die echten Frauen: Ich kenne ja nun ansatzweise beide Seiten. Männer sind so wunderbar simpel gestrickt. Es ist erstaunlich, wie man mit Kerlen spielen und sie um den Finger wickeln kann. Ein paar Schlüsselreize bedienen, die richtigen Gesten zum passenden Zeitpunkt, und sie fressen einen aus der Hand. Mir macht dieses Spiel immer wieder Spaß.

 

Der zweite Versuch

 

Gut zwei Monate nach der Trennung meldete sich meine Ex-Partnerin bei mir. Sie wolle es doch nochmal versuchen und würde auch mein Alter Ego akzeptieren. Wir trafen uns und sprachen offen darüber, wie es funktionieren könnte. Ein Zusammenziehen kam für beide nicht in Frage und wir versuchten, ein Fundament für eine neue Beziehung unter neuen Voraussetzungen aufzubauen. Anfangs lief es auch recht gut, doch schon bald tauchten die alten Probleme auf, die nur zum kleinen Teil mit "Julia" zu tun hatten. Es zog sich eine ganze Zeit hin, durchaus auch mit schönen Phasen, aber schließlich kam es dann doch zur diesmal endgültigen Trennung. Seitdem lebe ich allein mit meinen Vierbeinern, bin glücklich dabei und habe nicht die Absicht, diesen Zustand nochmal zu ändern.

 

Als Modell arbeiten?

 

Von Beginn meiner Beziehung mit meiner damaligen Partnerin wusste ich, dass sie früher als Gewerbliche gearbeit hat. Schon davor kannte ich einige Leute aus dem Rotlichtmilieu, hatte auch mit einigen Mädels mal eine Affäre und war an einer Escort-Agentur beteiligt. Also ich habe keine Vorbehalte und respektiere die Menschen, die diesen Job ausüben. Trotzdem war es ein Punkt, der mir in diesem speziellen Fall zu schaffen machte. Oft hatte ich Bilder von ihren Erzählungen im Kopf, die ich einfach nicht los wurde und die mich belasteten. Es gab in Berlin einen Nachtclub, in dem auch professionelle Transgender arbeiteten, wo man aber auch einfach nur zum Quatschen hingehen konnte. Das war eine tolle Mischung aus Bar, Showbühne und Puff. Kurz nach dem Beginn der zweiten Partnerschaft war ich allein dort. Ein Mann sprach mich an und schnell merkte ich, dass er mich für eine Professionelle hielt. Und dann geschah etwas Merkwürdiges: Ein Teil von mir führte das Gespräch, ein anderer Teil analysierte meine Empfindungen. Wenn ich den gleichen Job wie meine Partnerin machen würde, wäre das ein Weg, um damit umzugehen? Könnte ich dadurch die Schmerzen und Belastungen loswerden, die ich bei ihren Berichten spürte? An diesem Abend passierte nichts, aber ich fuhr sehr nachdenklich nach hause.

 

Ein neuer Nebenjob

 

Der Gedanke ließ mich nicht los, doch ich wollte auch nicht die eben neu begonnene Beziehung aufs Spiel setzen. So redete ich mit meiner Partnerin und erklärte ihr es ungefähr so, wie ich es Euch eben erzählte. Zu meiner Überraschung konnte sie meine Überlegungen nachvollziehen und gab mir ihr okay. Mehr noch, sie bot mir an, bei Bedarf mit mir zusammen Aufträge zu machen, was dann auch hin und wieder tatsächlich geschah. Als Erstes sprach ich mit der Chefin des Nachtclubs, die mich gern in ihr Team aufnahm. Ich lernte viel, denn es gehört ja mehr dazu als einfach nur Sex. Ehrlich gesagt, zumindest bei mir spielte der eine eher untergeordnete Rolle, so paradox es klingen mag. Jeder Gast ist anders, man muß auf ihn eingehen, zuhören können usw.. Das war für mich der spannende Aspekt. Es passierten auch viele amüsante Erlebnisse, die ich vielleicht mal in meinen Stories einbaue. Später arbeitete ich zusätzlich als Escort-Girl, aber immer auf gehobenen Niveau. Meine Gäste waren meist Manager, Unternehmer und Künstler und es ist schon recht anspruchsvoll, sich auf dieser Ebene zu bewegen. Nebenbei lernte ich dadurch ein paar schicke Restaurants kennen, auch für Begleitung auf Vernissagen und Empfängen wurde ich gebucht. Die Kunden bezahlten eher für meine Zeit als für wirklichen Sex und ich hatte einige Stammkunden, zu denen sich wirklich Sympathie entwickelte. Finanziell hatte ich den Job nicht nötig und konnte so frei entscheiden, lehnte auch viele Anfragen ab. Seit einiger Zeit habe ich den Job aufgegeben, denn ich habe alles erreicht und erlebt. Doch es gehört zu Julias Vita und ich möchte diese Erfahrungen nicht missen.

 

Im "soliden" Leben

 

Alle Unternehmungen zu erzählen würde den Rahmen diese Homepage sprengen. In der Rubrik "Stories" werdet Ihr hin und wieder Episoden aus meinem Leben finden und im Blog beschreibe ich aktuelle Erlebnisse. Heute bin ich gern in der ganz normalen Öffentlichkeit unterwegs; nach mehreren hundert Ausflügen hat sich da so eine gewisse Routine eingestellt. So mache ich ganz normale Dinge, gehe mit meinen Hunden schwimmen oder im Straßencafé Eis essen, shoppen, Dampferfahrten, mit dem Motorrad durch die City cruisen und was weiß ich noch alles. Ab und zu gehe ich auch gern in Swingerclubs, wie früher z. B. bei den monatlichen Parties im Erlebniskino und später im Möchtegern. Dabei geht es mir mehr um die Gespräche mit Freunden und die erotische Atmosphäre als um Sex-Erlebnisse. Es ist nicht selten, dass ich ohne einen intimen Kontakt gehabt zu haben nach hause fahre und trotzdem einen schönen Abend hatte. Im Laufe der Zeit macht man natürlich auch eine Entwicklung durch. Mussten es in der Anfangszeit immer Mini und High-Heels sein fühle ich mich heute in Jeans und Ballerinas nicht weniger weiblich. Eigentlich versuche ich, möglichst unauffällig in der Öffentlichkeit unterwegs zu sein und orientiere mich bei meinen Outfits an den biologischen Frauen. Ich möchte ja nicht als Fabelwesen wahrgenommen werden und das schönste Kompliment ist, wenn man mir nicht verwundert hinterher starrt. Meist gelingt mir das auch ganz gut. Im Sommer bin ich wesentlich öfter unterwegs als im Winter, denn die kalte Jahreszeit ist gar nichts für mich. Deshalb gibt es auch noch das nächste Kapitel...

 

Gran Canaria

 

Vor einigen Jahren habe ich die Insel für mich entdeckt und verbrachte von 2014 bis 2020 jeden Winter etwas Zeit dort. Von Anfang an machte ich diese Reisen komplett in der weiblichen Form, also inclusive Flug, Einchecken im Hotel, einkaufen, Touren mit dem Mietwagen, eben 24 Stunden am Tag Julia. Das ist eine ganz andere Dimension als die Ausflüge für ein paar Stunden in Berlin. Die erste Reise war ein richtiges Abenteuer. Das erste Mal allein in ein fremdes Land zu fliegen, noch dazu "en femme". Doch ich wollte es auf diese Weise durchziehen und habe es nicht bereut. Weder bei den Flügen noch auf der Insel gab es irgendwelche negativen Zwischenfälle. Bei einem Rückflug gab es ein witziges Ereignis: Beim Check-In musste ich natürlich meinen Paß vorzeigen, und das Bild korrespondierte ja eher suboptimal mit meiner weiblichen Erscheinung. Das Mädel am Counter schaute verstört und fragte: "Who is it?". Ich antwortete auf englisch: "Das bin ich, wenn ich die Perücke abnehme". Sie entschuldigte sich vielmals und dann war auch mein Kilo Übergepäck (Stichwort Schuhe(!!!)) kein Problem mehr. Im Prinzip ist es ja ein Riesenkompliment für mich, wenn jemand nicht hinter mein "Geheimnis" kommt. Ab und zu passiert so etwas, wenn auch mehr bei Männern als bei Frauen. Das kann zu lustigen oder auch leicht peinlichen Situationen führen, von denen ich Euch an anderer Stelle erzählen werde. Inzwischen kenne ich mich dort recht gut aus und habe einige Bekanntschaften geschlossen. Leider fanden diese Reisen dann im Jahr 2020 ein Ende, erst durch die Corona-Pandemie und dann durch das Fehlen eines Flughafens in Berlin. 2023 ergab sich unverhofft noch einmal die Chance, Gran Canaria zu besuchen. Hätte ich die Insel vor 20 Jahren gekannt wäre Übersiedeln durchaus eine Option gewesen, doch zu der Zeit gab es auch Julia noch nicht. Nun ist es dafür leider zu spät. Manchmal wünscht man sich für sein Leben einen Reset-Button...

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